See Genezareth, Israel, Juli 2019
Viele Jahre haben wir gespart, uns darauf gefreut, haben am Ende den Mut zusammengenommen und sind nach Israel gereist. Nun sind wir hier und wir besichtigen historische, biblische Orte in einer schnellen Abfolge ohne Zeit zum Innehalten.
Es waren besondere Erwartungen da; ich wollte Gott, Jesus am Originalort suchen. Und nun fühlt es sich an wie ein normaler Urlaub. Das kann doch nicht sein! Es ist Abend, bereits dunkel, der Wind weht heiß und heftig von den Golanhöhen herab, meine Kinder im Pool zum Abkühlen (keine Sorge, sie sind groß 🙂).
Ich gehe allein zum Seeufer und hänge etwas missmutigen Gedanken nach. „Herr, was ist denn nun jetzt. Ich bin hier und spüre nichts von Dir!“ Upps, das war ehrlich, irgendwie anklagend. Ich gehe einen dunklen Weg zum See, treffe niemanden, das Schilf rauscht; es ist etwas gruselig. Zaghaft gehe ich weiter, mich schaudert, es ist wirklich sehr finster, der offene See ist noch etwas entfernt. Das Weitergehen erfordert Mut, nur noch über den Steg durch das hohe Schilf und dann werde ich da sein. Am Ende des Steges angekommen, sind da plötzlich einige Menschen. Ich bleibe etwas abseits, weil ich ja eigentlich allein sein wollte. Die Leute haben eine Gitarre und beenden gerade leise ein Lied. Plötzlich dreht sich eine Frau um und mich erreicht ein einladendes „Welcome!“. Nun bin ich Teil der Gruppe. Es sind amerikanische Christen, ein junger Mann erzählt seine Geschichte und weint dabei, leider verstehe ich fast nichts. Er wird in den Arm genommen. Die Gitarre wird weitergereicht und „Reckless Love“ angestimmt. Ich kenne das Lied nur in Deutsch und auch den anderen ist der Text nur teilweise bekannt. Es ist sicher nicht der schönste Gesang 😉. Das Lied handelt von der großen Liebe, vom Nachgehen Gottes in der Sorge um jeden einzelnen von uns. Plötzlich habe ich eine Bibelstelle im Sinn: „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Matthäus 18,20. Plötzlich ist da Friede, Geborgenheit, Wärme, eine tiefe Berührung im Herzen, mir kommen nun auch die Tränen; ein persönlicher Gottesmoment. Jesus ist hier, stark fühlbar mit meinem Herzen. Warum habe ich wieder gezweifelt?
Kennst Du das auch? Man fiebert auf ein Ereignis zu und hat genaue Vorstellungen, wie es zu sein hat. Wie oft machen wir uns schöne Ereignisse „kaputt“, weil wir sie im Ablauf ganz genau festgelegt haben und die Wirklichkeit abweicht; Enttäuschung ist da, wir können das Schöne in diesem Moment nicht mehr wahrnehmen. In schlimmen Momenten wissen wir ganz genau, wie Gott uns helfen soll. Zweifel machen sich breit, wenn keine Hilfe kommt. Mit dem Satz ein liebender Gott kann mich doch nicht in dieser Situation lassen oder auch kann das Leid nicht zulassen, haben schon viele Gott für nicht existent erklärt. Sind wir wirklich sicher, dass Gott nicht da ist, dass er nicht hilft? Vielleicht ist es ja auch ganz anders als wir es uns ausgemalt haben? Könnte Gott anders sein?
Wenn wir in die Bibel schauen, entdecken wir Geschichten, die auch mit Erwartungen zu tun haben. Da ist z.B. im alten Testament Elia, ein wichtiger Prophet. Er hat mit Gott viel erlebt und bewirkt. Mitten auf diesem Weg geht es nicht mehr weiter, keine Kraft mehr. Unter einem Busch sitzend, möchte er, dass es vorbei ist; er möchte sterben. Krass wie die Bibel dies beschreibt, was wir heute als Burnout bezeichnen. Doch Gott versorgt ihn in dieser Zeit und dann kommt folgende Stelle:
Da antwortete ihm der Herr : „Komm aus deiner Höhle heraus und tritt vor mich hin! Denn ich will an dir vorübergehen.“ Auf einmal zog ein heftiger Sturm auf, riss ganze Felsbrocken aus den Bergen heraus und zerschmetterte sie. Doch der Herr war nicht in dem Sturm. Als Nächstes bebte die Erde, aber auch im Erdbeben war der Herr nicht. Dann kam ein Feuer, doch der Herr war nicht darin. Danach hörte Elia ein leises Säuseln. Er verhüllte sein Gesicht mit dem Mantel, ging zum Eingang der Höhle zurück und blieb dort stehen. Und noch einmal wurde er gefragt: „Elia, was tust du hier?“
1. Könige 19:11-13 Übersetzng Hoffnung für alle
Gott begegnet ihm völlig anders. Er hat Gott in gewaltigen Dingen erwartet, in dem heftigen Sturm, der so unbarmherzig wütet, im Erdbeben, im Feuer. Das sind alles Dinge, die dem damaligen Gottesbild entsprachen. Doch Gott ist anders. Elia hat sich darauf eingelassen und musste lauschen; leise, zart, im Säuseln sprach Gott. Heilung durfte einsetzen, ein Krafttanken, ein Weitergehen. Hätte er von seiner Erwartung leiten lassen, wie Gott ist oder zu sein hat, hätte er die Begegnung verpasst. Vielleicht hätte er auch resigniert, weil er an dem Platz seiner Vorstellung, Gott nicht finden konnte.
War es bei Jesus nicht genauso?
Gläubige Juden warten auch heute auf den Retter, den Messias. Im alten Testament der Bibel, der Teil, der für Christen und Juden gleich ist, wird ein König, ein Retter angekündigt. In vielen Stellen der Bibel, bereits hunderte Jahre vor Christi Geburt, wird von seinem Kommen berichtet und dieser Messias beschrieben. Christen glauben, dass Jesus dieser angekündigte König ist, ein König so ganz anders als erwartet. Er hat die ärmsten, gebrochenen, von der Gesellschaft ausgestoßenen gesucht, sich um die Nöte im Dasein gekümmert, den einzelnen Menschen in seinem Inneren gesehen und sich selbst erniedrigt. Er passte nicht zu den Erwartungen, wie ein König zu sein hat. Jesus war anders!
„Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“
Psalm 118,22 Lutherübersetzung
Eine Stelle im alten Testament. Der Eckstein ist der wichtigste Stein im Gebäude. Das Christentum wurde auf diesen Stein gebaut.
Wie oft lassen wir uns von Erwartungen leiten. Wir haben für alles innere Schubladen. Wie oft geben wir Menschen und Dinge keine Chance sie kennenzulernen, so wie sie sind. Oder stellen andere Erwartungen an mich, die ich nicht erfüllen kann, die mich in Resignation führen? Vielleicht bin ich es ja auch selbst, voller überhöhter Ansprüche, die mich immer wieder scheitern lassen? Das Loslassen von Erwartungen, Vorurteilen, Ansprüchen befreit auf eine wunderbare Weise. Es darf eine spannende Entdeckungsreise beginnen, ein sich auf mich und den anderen einlassen; eine Antwort auf Ausgrenzung, Rassismus, Verschwörungstheorien, im echten Wahrnehmen.
Am Anfang meiner Glaubensreise muss ich ehrlich gestehen, dass ich mich mit Jesus schwer getan habe. Gott als liebenden Vater … ja, dass passte auch aufgrund meiner behüteten Kindheit; aber Jesus? Wer war er für mich?: zu Beginn nicht zu greifen, nicht definierbar, ein für mich unbeschriebenes Blatt.
Mich hat vor einigen Wochen eine Rapstelle eines Liedes so angesprochen und berührt, so passend aus meinem Herzen gesprochen, was nun Jesus für mich geworden ist:
Du bist Retter meines Herzens.
Privileg Band, Song: Was für ein Gott
Du bist immer noch da.
Du bist Alpha und Omega und das ist immer noch wahr.
Du bist die Zuversicht und du bist Zärtlichkeit.
Du reichst bis in mein Herz und millionenmal so weit.
Du bist Zeit und Unendlichkeit.
Deine Liebe reicht so weit,
dass dein Leid mich befreit, bis in alle Ewigkeit
ans Kreuz schlug man dich und du hingst dort für mich,
so fließen Schuld und Wut durch dein Blut in das Licht.
Ein Nagel sticht und ein Knochen zerbricht.
Was für ein´ Gott habe ich, der sich hingibt für mich,
wahrhaftig Herr dieser Welt.Du bist Retter und Held.
Du bist der, der immer steht, an den mein Gebet geht,
weil mein Name in deinem Herz geschrieben steht.
Du bist da von Anfang bis zum Ende – überall,
und ich bin wieder zu Hause, wenn ich in deine Hände fall…
Das leere Blatt für Jesus ist plötzlich voll, durch mein Leben beschrieben: durch soviel Hilfe, Trost, Nähe, Annahme, Gnade, Liebe, getragen und verstanden sein, echten inneren Frieden, Dankbarkeit … Mein Herz durfte nach Hause kommen. Es berührt mich gerade sehr beim Aufschreiben.
Ich habe Jesus, Gott in Israel gefunden. In besonderen persönlichen Momenten, ganz anders als gedacht, nicht an den Orten mit den vielen Touristen.
Nun, ein Jahr später, sind wir wie in eine andere Zeit gesetzt. Unsere laute Welt ist leiser geworden, mit Schalldämpfer, heruntergefahren, auf Abstand. Was für eine Chance zu lauschen!
Und wie ist Dein Gottesbild? Es ist Zeit die Reset-Taste zu drücken 😉. Sei behütet!
PS: Für alle, die die erwähnten Lobpreissongs nachhören wollen:
„Gewagte Liebe“ deutsches Cover von Recklesslove – UrbanLive Worship
https://youtu.be/eDTQBy11uZs
„Was für ein Gott“ – Privileg Band
https://youtu.be/VxBfkeX5Lho