All that I need!

Er hatte schon viel gesehen: weiße Strände, pulsierende Städte, Menschen auf allen Kontinenten, in Australien die große Hitze im Outback, die Rentiere im Norden mit diesen erstaunlich großen schwirrenden Mücken, die Polarlichter. Es treibt ihn immer wieder zu neuen Ufern, Fernweh nennt man das. Und doch ist da eine tiefe Sehnsucht einmal anzukommen. Aber wo, wenn man ständig auf dem Sprung ist.
Sein Zuhause war immer eng, von Regeln geprägt, voller Aussagen, dass er eh nichts richtig macht. Er konnte dort keine Heimat finden. Etwas, was Halt gibt, was man vielleicht Familie nennen könnte. Er ist ausgebrochen, hat die Ketten zerrissen, sich ins Abenteuer gestürzt. Beruflich weit gekommen, er hat es allen gezeigt.
Es ist nur kein Ankommen, keine Ruhe, kein Stillstand, keine Erfüllung, kein Friede, am Ende ist da immer wieder dieser leere Fleck. Gedankenversunken plant er das nächste Highlight, die nächste Reise, vielleicht findet er ja dort, was er sucht …

Kennen wir das nicht, dieser blinde Fleck in uns, der scheinbar nicht gestillt werden kann, immer wieder aufbricht?

Ich habe versucht, diese innere Leere einmal in Gedanken zu fassen. Heraus kamen diese kurzen Zeilen:

Leer
Menschenleer
innen leer
Seele von Bildern überflutet, aber nicht erreicht,
Hunger nach immer mehr,
am Ende steht trotzdem wieder
Leer

Mich bewegt noch immer eine Begegnung im Urlaub 2023.
Ich bin so dankbar, so beschenkt: Es ist mir möglich, einmal im Jahr einen großen Urlaub zu machen und Traumziele zu besuchen. Im letzten Jahr hieß dieses Ziel Barcelona.
Welche Worte können den Aufenthalt beschreiben:
Metropole, pulsierend, laut, voller Leben, weltoffen, Treffpunkt der Nationen, Stellen mit Natur, besondere von Gott berührte Architektur mit der Aufschrift Gaudi, Regionalstolz mit einem vom Alltag zugedecktem Konflikt, persönliche, besondere Gottesmomente!
Es hat mich aber auch eine Kälte getroffen. Massen, die scheinbar einem Ziel folgen und am Boden liegende einzelne arme Menschen übersehen, wirklich Bedürftige, die mit betrügerisch bettelnden in eine Schublade gesteckt werden, selbst schuld, weitergehen, nicht hinsehen. Sprüche liegen in der Luft: „Es hat doch jeder selbst in der Hand, wer dort landet; sie müssen doch einfach nur aufstehen.“ Ist das wirklich so? Mich hat diese Ignoranz beschäftigt, bedrückt und zeitweise mit einer ohnmächtigen Traurigkeit belegt.
Genau gegenüber unserer Unterkunft hatte ein Mann seine Kartonmatratze mit Schlafsack aufgeschlagen. Obwohl vielleicht sein Alter erst Anfang dreißig war, fehlten einige Zähne. Das Leben auf der Straße hatte sich in sein Gesicht gezeichnet.
Er war sehr freundlich und offen. Ich hatte ihm schon einmal etwas in seine Büchse geworfen und er grüßte unaufdringlich, nett, wenn er uns sah.
Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass er in dicken Wintersocken lief, die Schuhe fehlten. Mich beschäftigte das sehr und ich fand immer wieder Ausreden, um nicht hinzugehen und zu fragen, ob ich ihm Schuhe kaufen kann. Dann träumte ich sogar davon. Es war einfach nicht zu ignorieren, dass Gott etwas von mir wollte.
Am Morgen nach dem Traum sagte ich dann meiner Tochter, dass ich ihre Hilfe brauche und wir zu unserem Straßennachbarn gehen, ihn nach seiner Größe fragen müssen, um ihm Schuhe zu kaufen.
Es war erstaunlich. Meine Tochter hatte am Abend zuvor darum gebetet, dass sie Gelegenheit bekommt, einem dieser armen Menschen zu begegnen. Sie war erstmal sprachlos, wie schnell Gebete erhört werden können; so schnell wollte sie nun auch wieder nicht hin.
Wie krass, wir hatten beide den gleichen Drang und nicht den Mut. Wir haben diese Gedanken gegenseitig nicht ausgesprochen. Aber Gott stupst manchmal, also los, über die Hemmschwelle in der Sprache Englisch hinweg.
Als wir auf die Straße kamen, saß er wieder auf seinem Stück Karton. Wir sind direkt auf ihn zugegangen. Er freute sich und war sehr freundlich. Er strahlte uns an. Wir sagten ihm, dass wir gesehen haben, dass er keine Schuhe trägt und wir ihm gern ein Paar kaufen möchten. Da zeigte er uns Badeschuhe, die ihm am Abend zuvor ein Passant geschenkt hatte. Nun kam der Satz, an den ich noch immer denken muss, er sagte: „I have all that I need. Ich habe alles, was ich brauche.“ Er zeigte dabei auf seinen Karton, den Schlafsack und die Flipflops. Was für ein Satz in so einer Lage!
Wir haben ihm dann mit ganzem Mut erzählt, dass Jesus ihn liebt und er einen guten Plan für sein Leben hat. Und da sagte er, dass er Jesus kennt und hat. Sein Blick strahlte, als er das sagte. Er hatte einen spürbaren Frieden, als er uns von seinem Plan erzählte, der ihn wieder ins normale Leben zurückbringen soll. In seinem Blick lag etwas von einem Angekommensein. Dieser Blick unterschied ihn von den Vorbeigehenden auf der Straße; es lag darin das Echte, ein Friede, die Gewissheit, dass Jesus ihn liebt. Mir wurde bewusst, dass Jesus noch immer bei den Ausgestoßenen ist, dass man ihn dort finden kann. Er ist dort, wo es scheinbar nicht mehr weitergeht. Mich beschäftigt diese Begegnung noch immer. Ich bete seitdem für unseren Urlaubsnachbarn, dass er seinen Neustart findet, an der Hand von Jesus!

Im neuen Testament der Bibel gibt es folgende Geschichte von Jesus mit einer samaritanischen Frau, die ich Euch gern in Auszügen vorstellen möchte:

Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Müde von der Wanderung setzte sich Jesus an den Brunnen. Es war um die Mittagszeit. Da kam eine Samariterin aus der nahe gelegenen Stadt zum Brunnen, um Wasser zu holen.
Jesus bat sie: »Gib mir etwas zu trinken!« Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um etwas zu essen einzukaufen. Die Frau war überrascht, denn normalerweise wollten die Juden nichts mit den Samaritern zu tun haben. Sie sagte: »Du bist doch ein Jude! Wieso bittest du mich um Wasser? Schließlich bin ich eine samaritische Frau!« 
Jesus antwortete ihr: »Wenn du wüsstest, was Gott dir geben will und wer dich hier um Wasser bittet, würdest du mich um das Wasser bitten, das du wirklich zum Leben brauchst. Und ich würde es dir geben.«
»Aber Herr«, meinte da die Frau, »du hast doch gar nichts, womit du Wasser schöpfen kannst, und der Brunnen ist tief! Wo willst du denn das Wasser für mich hernehmen? Kannst du etwa mehr als Jakob, unser Stammvater, der diesen Brunnen gegraben hat? Er selbst, seine Söhne und sein Vieh haben schon daraus getrunken.« 
Jesus erwiderte: »Wer dieses Wasser trinkt, wird bald wieder durstig sein. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder Durst bekommen. Dieses Wasser wird in ihm zu einer nie versiegenden Quelle, die ewiges Leben schenkt.«  »Dann gib mir von diesem Wasser, Herr«, bat die Frau, »damit ich nie mehr durstig bin und nicht immer wieder herkommen und Wasser holen muss!«
Jesus entgegnete: »Geh und ruf deinen Mann. Dann kommt beide hierher!«
»Ich bin nicht verheiratet«, wandte die Frau ein.
»Das stimmt«, erwiderte Jesus, »verheiratet bist du nicht. Fünf Männer hast du gehabt, und der, mit dem du jetzt zusammenlebst, ist nicht dein Mann. Da hast du die Wahrheit gesagt.
« Erstaunt sagte die Frau: »Ich sehe, Herr, du bist ein Prophet! …  Die Frau entgegnete: »Ja, ich weiß, dass einmal der Messias kommen soll, der von Gott versprochene Retter.« – Auf Griechisch nennt man ihn auch den Christus. – »Wenn dieser kommt, wird er uns das alles erklären.«
Da sagte Jesus: »Du sprichst mit ihm. Ich bin es.« 
Als seine Jünger aus der Stadt zurückkamen, wunderten sie sich, dass er mit einer Frau redete. Aber keiner fragte ihn: »Was willst du von ihr? Warum sprichst du mit ihr?«
Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, lief in die Stadt und rief allen Leuten zu:  »Kommt mit! Ich habe einen Mann getroffen, der alles von mir weiß! Vielleicht ist er der Messias!«

Die Bibel, Johannes 4, 6-20;25-29 Übersetzung Hoffnung für Alle –

Die Ebenen der Geschichte auf mein Leben bezogen:

Das Wasser des Lebens

Sanftes Gießen
Jesus sagte der Samariterin: „Wenn Du mich bittest, gebe ich Dir Wasser, das Du zum Leben brauchst.“
Ich habe Jesus in mein Leben gebeten, angefleht zu kommen, weil es gerade nicht mehr weitergehen wollte. Ich habe festgestellt, dass trotz des Glaubens mit meinem Verstand, Jesus noch keine Rolle in meinem Leben hatte, mein Herz noch nicht ausfüllte. Und er kam. Er war nicht weit von mir entfernt, hatte wohl auf ein Herzenssignal von mir gewartet.
Nun brachte er dieses (symbolische) Wasser in mein Leben. Es war nicht wie das Auskippen eines Eimers, sondern wie ein sanftes Gießen. Nachdem ich ihn in mein Leben eingeladen hatte, wurde ich Stück für Stück berieselt, wurden und werden Seelenwunden heil.
Mein erstes Thema war die Trauer, dann innere Verletzungen aus fernen Tagen, eigene Schuld, für die ich auch Vergebung brauche. Es ist ein Hervorholen meiner Seelenpunkte, ein Ansehen in Gnade ohne eine Anklage (wie bei der Frau am Brunnen).
Das Erstaunliche ist, dass ich Themen entdecke, die mir selbst nicht einmal bewusst sind, die in meinem Grundmuster meiner Empfindungen, meiner Reaktionen liegen, ein ganz neues Verstehen meines Selbst hat eingesetzt. Es erfordert den Mut, sich darauf einzulassen, ein Vertrauen in Gottes Liebe und Güte, die Bereitschaft, sich verändern zu lassen, um innerlich heil zu werden. Es erfordert aber auch Geduld, ein Warten auf Dinge, die (noch) nicht dran sind, ein Loslassen von den eigenen oft egoistischen Wünschen hin zu einem Beschenktwerden durch Gott. Es sind Geschenke, die ich mir oft gar nicht gewünscht habe, die aber wunderbar zu mir passen. Ich bin dankbar für die Veränderungen, die mir das symbolische Wasser gebracht hat und möchte nicht mehr zu diesem alten Menschen zurück.
Ein Wasser, das Gesunden lässt, die inneren Kammern füllt und irgendwann als innere Quelle übersprudelt, um es an andere weiterzugeben, Segen und Licht zu sein.

Genug
Dieses Wort hört man nicht mehr oft. Es ist in unserem Streben nach „höher, schneller, weiter“, als Ausdruck einer Wachstumsgesellschaft, unpopulär geworden. Genug wird mit Begrenztheit verbunden. Ist das wirklich so?
Es ist ein wunderbares Wort. Es drückt aus, dass etwas ausreichend ist. Gott gibt Genüge, der Durst nach mehr wird gestillt. Wir können darauf vertrauen, dass es reichen wird. Wir können ausatmen, wir müssen nicht mehr weiter raffen, rastlos sein, sinnlosen Zielen hinterherjagen, im Hamsterrad feststecken, dürfen das Streben nach Perfektion loslassen, aus der in die Richtung des Zeitgeistes strebenden Masse ausbrechen, innehalten, dankbar sein.
Es liegt darin ein Zuhause, ein inneres Ankommen, Freiheit im Sein dürfen, ein von Gott unendlich geliebt sein. Unser Seelendurst wird gestillt, die Leere darf ausgefüllt werden. Was für eine Zusage, wir werden nicht mehr durstig sein! Gott wird den blinden Fleck in uns schließen, dann müssen sogar Süchte gehen.

Berührung
Es ist manchmal schwer, Zweifel auszuhalten.
Ich bin ein Mensch, der ständig von Gedanken überflutet wird. Ich kann zum Beispiel nur mit großer Anstrengung im Stillen beten, da der Gedankenstrom mich immer wieder in andere Richtungen reißt.
Mich treffen Sätze von überzeugten Atheisten, die gläubigen Menschen das Denken absprechen, die Auferstehung in die Welt der Sagen einordnen, als einfaches Denkmuster abtun. Mich stürzt dies manchmal in Zweifel und ich habe mit dieser Anfechtung sehr zu kämpfen. Ich beschäftige mich schon länger mit Gedanken von Denkern, die bewusst Christ sind bzw. waren und dies auch im wissenschaftlichen Sinn vertreten bzw. vertreten haben. Dies sind bzw. waren z.B. C.S. Lewis (verstorbener Literaturprofessor der Universität Cambridge, u.a. Autor der „Chroniken von Narnia“, „Dienstanweisung an einen Unterteufel“; „Pardon, ich bin Christ“), Dr. Johannes Hartl (Theologe, Philosoph, Gründer des Gebetshauses Augsburgs, Autor u.a. von „Eden Culture“, Vorträge u.a. im Dr. Johannes Hartl YouTube-Kanal), John C. Lennox (Professor i.R. für Mathematik der Universität Oxford, u.a. Autor „Wozu Glaube, wenn es Wissenschaft gibt?“, Interviews und Vorträge sind in YouTube zu finden).
Was bewegt diese hochgebildeten Menschen zum Glauben an den christlichen Gott? Was brachte sie dazu, ihren Weg zu verlassen und Christ zu werden?
Man muss sie das wohl selbst fragen. Ich entnehme aber ihren Veröffentlichungen, dass sie ein persönliches Erleben Gottes mit einer Berührung des Herzens hatten.
Dieser Gott ist so groß und wunderbar, dass man ihn auch als Erklärung für den Ursprung mit einbeziehen muss. Geht ein eigenes Empfinden voraus, kann Gott nicht mehr einfach als Hirngespinst abgetan werden.
Das ist auch bei der Frau am Brunnen geschehen. Jesus nimmt sie wahr, nimmt Anteil an ihrem Leben; sie wird tief von seiner Fürsorge, seiner Liebe berührt. Ihre Umstände haben sich nicht geändert, aber sie ist plötzlich beseelt, wie verwandelt, möchte allen von Ihrer Begegnung erzählen.

Es geht mir genauso wie der samaritischen Frau. Die Umstände meines Lebens sind auch mit Jesus immer noch die gleichen. Von der Annahme, von der Liebe Gottes berührt, erhalte ich aber einen Wert, ein Fundament für schwere Zeiten. Ich muss es jedem erzählen! Deshalb gibt es diesen Blog, für den ich manchmal auch Gegenwind ernte, Motivation zum Durchhalten brauche.

Jesus sollte beim Einzug in Jerusalem seine Jünger zum Schweigen bringen und hat darauf erwidert:
„Ich sage Euch, wenn diese schweigen, werden die Steine schreien.“

Die Bibel,Lukas 19,40, Elberfelder Übersetzung –

Ich fühle mich manchmal wie ein solcher Stein, der erst nach den Wörtern suchen muss, im nicht zu stillenden Drang, Zeugnis geben zu wollen. Danke für Dein Durchhalten bei diesem langen Text. 🙂

Es gibt das Reich Gottes schon hier zu entdecken; es macht das Leben reich, bunt, zufrieden, mit einem gefüllten inneren Fleck; allen Spöttern, allen Widerständen und Zweiflern zum Trotz!

Ich habe am Karfreitag als Chorsängerin die folgende Liedzeile von Klaus Heizmann gesungen: „Hinter dem Kreuz ist der Eingang zum Licht …“.
Wir müssen dafür nichts leisten. Wir dürfen so kommen, wie wir sind!
Nur Mut, der Eingang lässt sich finden.

Sei behütet!

PS:

Mich berührt gerade die Serie „The Chosen“ sehr tief. Es ist eine Serie über Jesus aus Sicht der Jünger. Jesus ist hier so dargestellt, wie ich ihn in meinem Leben erlebe, auch wenn ich ihn nicht sehen kann, voller Liebe, Wertschätzung und Annahme. Es gibt in der ersten Staffel die Szene mit der Frau am Brunnen. Hier ist der Link zum Anschauen als meine Empfehlung:

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