Im Ruhemeer

Wieder kommt sie einfach nicht in den Schlaf!
Heute Mittag hätte sie sich hinlegen können. Sie hatte Mühe dem Gesagten in der Videokonferenz zu folgen. Natürlich hatte es der Chef gleich bemerkt! „Klara, Sie sind heute wieder nicht bei der Sache. Mit dieser Einstellung kann es so nicht weitergehen. Wir haben ja alle Verständnis für Ihre Situation, aber in unserer Firma brauchen wir frische und flexible Leute. Sie müssen sich am Wochenende mal richtig ausschlafen, früher haben Sie das doch auch geschafft.“
Abends war es wieder so anstrengend. Der Große mitten in der Pubertät. Es reichte ein kleines Wort, um ein Aufspringen vom Tisch mit lautem Türenknallen zu erreichen. Irgendwie hat sie das Gefühl, die Verbindung zu ihm zu verlieren. Ihr Mann, nur am Wochenende zu Hause, macht ihr Vorwürfe. Es gibt immer mehr Streit. Der Kleine steht mittendrin, leider hat sie oft keine Geduld mit ihm. Er sieht so traurig aus und ihr fehlt die Kraft, ihn in den Arm zu nehmen. Und dann ihr Bruder mit seinen klugen Ratschlägen und seinem perfekten Leben. Wie soll sie das alles nur schaffen. Sie muss jetzt schlafen. Sie muss einfach, sonst schafft sie den nächsten Tag nicht. Und es will einfach nicht gehen…

Dies ist eine erfundene Geschichte, aber kennen wir das nicht auch?
Ich habe den ganzen Tag viele Aufgaben erledigt, teilweise mit der Müdigkeit kämpfend. Nun liege ich im Bett und komme nicht zur Ruhe. Oder ich schlafe sofort ein und wache gegen drei Uhr auf, ohne eine Chance wieder in den Schlaf zu kommen.
Wo kommen nur diese vielen Gedanken her, die einfach nicht zu stoppen sind? Es ist ein inneres Pulsieren, ein Pochen, unabhängig vom Herzschlag, eine tiefe Unruhe. Diese Gedanken können nicht so einfach weggeschoben werden.
Wenn dann doch einmal ein Weiterschlafen möglich ist, kommt es mir vor, als ob ein See der Müdigkeit angezapft wurde; eine Müdigkeit, die einfach nicht zu stillen ist. Man fühlt sich nicht ausgeschlafen, eher noch matter. Irgendwann ist es vielleicht wie in der Geschichte, die Müdigkeit tritt nach außen, vielleicht schaffen wir die Dinge nicht mehr so gut oder wir sind gereizt, unzufrieden, unfähig anderen unsere Wertschätzung und Liebe zu zeigen.

Mich begleitet die Musik und die tiefen Texte von Herbert Grönemeyer. Nun wieder eine Textstelle, die dies so wunderbar ausdrückt

„Du machst aus dir ’ne Achterbahn
Mit dir will keiner Schlitten fahrn
Und keiner teilt mehr mit dir sein Brot
Und langsam geht dir alles schief
Was gestern noch von selber lief
Ist heute nichts als Quälerei, Quälerei,
Dies ist das Lied zur guten Nacht
Zieh den Stecker raus…“

aus „zur Nacht“ Herbert Grönemeyer Album „12“

Wie kann man den Stecker ziehen, den Ausschalter finden, der uns den Schlaf schenkt? Wie sehr vermisst man diesen tiefen ruhigen Schlaf, den man als Kind hatte. Das Schlafen die ganze Nacht mit dem Gefühl beim Aufwachen, man könnte die Welt einreißen.

Natürlich bietet das Arsenal der Pharmaindustrie einfache, schnelle Hilfe an. Aber sind die einfachen Lösungen wirklich so gut, findet man wirklich diesen echten tiefen Schlaf?

Im neuen Testament der Bibel gibt es die Geschichte als Jesus mit einigen Jüngern in den Garten Gethsemane geht. Es ist der Zeitpunkt nach dem letzten Abendmahl kurz vor seiner Verhaftung und anschließender Kreuzigung. Er hat ihnen mehrmals gesagt, dass dies geschehen wird. Er ist sicher aufgewühlt. Er bittet seine Jünger mit ihm zu wachen:

Petrus und die beiden Söhne von Zebedäus – Jakobus und Johannes – nahm er mit. Angst und tiefe Traurigkeit überfielen Jesus, und er sagte zu ihnen: „Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe. Bleibt hier und wacht mit mir!“… Dann kam er zu den drei Jüngern zurück und sah, dass sie eingeschlafen waren. Er weckte Petrus und rief: „Konntet ihr denn nicht eine einzige Stunde mit mir wachen?“
Matthäus 26: 37-38 und 40  Übersetzung Hoffnung für alle

Es ist der Tag des letzten Abendmahls, den wir heute unter dem Namen Gründonnerstag kennen. Natürlich muss dieser Tag sehr anstrengend gewesen sein, trotzdem frage ich mich: „Wie konnten die Jünger in dieser Situation nur schlafen?“ Sie sind verfolgt, Jesus sagte ihnen, was bald geschehen würde. Mir rauben schon banalere Probleme den Schlaf 😬.

Ich habe hierzu wieder eine Geschichte aus meinem Leben.
Vor einigen Jahren ging ich zu einer Vorsorgeuntersuchung zum Arzt. Ohne Vorwarnung hieß es: „Es ist da etwas gewachsen, das muss schnell entfernt werden.“ Mehr konnte man mir nicht sagen. Meine Ärztin rief sofort in der Klinik an. Am Montag ist die nächste Lücke im OP-Plan, die war nun für mich reserviert.
Ich fühlte mich wie im falschen Film. Diese Zeit hatte bereits so viele Hürden und nun noch das. „Ich muss doch meine Kinder groß ziehen dürfen! Sie haben doch nur mich! Was soll jetzt werden, wenn am Ende vielleicht eine schlimme Diagnose steht?“
Ich habe in der Woche bis zur OP funktioniert und viel gebetet. Trotzdem spürte ich Gott nicht. Ich fühlte mich allein. Hört er mich überhaupt?
Nun kam der Montag; aufgeregt kam ich in der Klinik an. Die Vorbereitung lief ab und dann sagte man mir, dass ich erst im Laufe des Vormittags an die Reihe komme.
Ich legte mich auf das Bett, voller Gedanken … Plötzlich wurde ich in einen Mantel aus Ruhe gehüllt. Es war unbeschreiblich; ich schlief ein, eigentlich nicht nachvollziehbar. Dann kam eine Schwester mit einer Beruhigungstablette. Das Medikament hatte ich noch gar nicht bekommen und sie war etwas unsicher, ob ich es vielleicht schon hatte, als sie mich schlafen sah.

Jesus spricht: Ja, meinen Frieden gebe ich euch – einen Frieden, den euch niemand sonst auf der Welt geben kann. Deshalb seid nicht bestürzt und habt keine Angst!
Johannes 14,27 Übersetzung Hoffnung für Alle

Jesus war da, er hatte mir diesen tiefen Frieden geschenkt, Geborgenheit, Wärme. Die Gewissheit, dass egal was nun passiert, er bei mir sein wird. Ich darf mit ihm in die Unsicherheit, in die Herausforderung, über das Wasser meines Lebens gehen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass es (er) trägt, allen Unmöglichkeiten zum Trotz (und auch einmal auf der letzten Reise).
Aus meiner OP wurde dann in den nächsten Tagen und Wochen eine Zeit der Ruhe, vollkommen bei mir selbst. Obwohl ich krank war, konnte ich meine inneren Quellen wieder füllen. Ich durfte Gott erneut finden, mein Glaube durfte wachsen… und am Ende wurde es gut.

Bei mir ist es aktuell ein auf und ab, mit guten und schlechteren Phasen des Schlafens. Ich freue mich, wenn ich erholt aufwache, messe dem aber nicht so viel Bedeutung bei, wenn es nicht so gut funktioniert.
Ich habe festgestellt, dass ich es bin, der mir den meisten Druck im Leben macht und das versuche ich beim Thema Schlafen nicht zu tun. Im Laufe des Lebens ändert sich das Schlafbedürfnis und sicher ist auch ein gewisser Anteil auf natürliche Veränderung zurückzuführen.
Ich habe festgestellt, dass es mir gut tut, dem ausufernden, nicht zu stoppenden Gedankenstrom eine Richtung zu geben und so schrieb ich viele Blogeinträge nachts. Wer den Blog etwas verfolgt hat, hat sicher gemerkt, dass nun zwischen den einzelnen Einträgen eine lange Zeitspanne liegt. Ich schlafe besser!

Es hat auch etwas Heilendes, den Tag am Abend abzulegen, mit allen wunderbaren Dingen in Dankbarkeit, aber auch den Widrigkeiten und Herausforderungen. Viele haben es als Kinder gemacht, aber es als Erwachsener vergessen. Es gibt es noch, das Gutenachtgebet. Wem es etwas peinlich ist, muss es ja nicht so nennen 😉. Wir dürfen die Belastungen des Tages abgeben, es Jesus hinlegen und darauf vertrauen, dass er unsere Last mit trägt. Ich muss es nicht allein schaffen, die Kraft zum Weitergehen wird kommen. Wie Kinder dürfen wir uns in Geborgenheit schlafen legen.

Ich möchte gern noch ein Lied mit Euch teilen, dass mich in der Krankenhauszeit begleitet hat:

Wir dürfen mit Jesus über Wasser und auch durch diese Pandemie gehen, erfüllt von Frieden, voller Hoffnung. Es wird tragen!

Sei behütet!

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